WINNETOUS MANITU IST IN GRÄFELFING

PARIS/MÜNCHEN - Ein Indianer spürt keinen Schmerz. Das trifft auch auf Apachenhäuptling Pierre Brice zu. Schmerzen wegen seiner Nierensteine hat er immer wieder weggefühlt. Er jammert selten, höchstens mal über den Rücken. Pierre Brice, der Superstar, der mit seiner Traumrolle Winnetou der Held der Nation wurde, ist gut drauf in seinem Schlößchen bei Paris, als ihn plötzlich am letzten Freitag Fieber überfällt. Das Thermometer steigt über 40 Grad. In voller Panik ruft Frau Hella den Notarzt. Aus der Klinik kommen schlechte Nachrichten. Hella fährt ins Krankenhaus. Die Ärzte haben Lungenentzündung festgestellt und behandeln ihn vergeblich mit Antibiotika. Der Zustand verschlechtert sich. Dann geht es plötzlich schnell am Samstagfrüh. Hella sitzt an seinem Klinikbett und hält die Hand. Pierre blickt sie lange an und sagt plötzlich „Adieu“. Als sie sich über ihn beugt, um ihn zu küssen, hat sein Herz aufgehört zu schlagen. Winnetou ist in die ewigen Jagdgründe Manitus hineingegangen. Hella schüttelt sich vor Weinen.

Pierre Brice bekommt seine letzte Ruhe überraschend in Gräfelfing, einem Vorstadt-Nest von München. er wird im Familiengrab des Münchner Unternehmers Walter Dück, beerdigt, seinem Schwager, der mit Hellas Schwester Gaby verheiratet ist. Das Grab mit Winnetou wird ein Wallfahrtsort werden. Dück hatte gerade in Garmisch eine schmucke Mehrfamilien-Villa für fast zwei Millionen Euro gebaut, wo Pierre in einem neuen Wigwam seinen goldenen Herbst verbringen sollte. Dazu ist es nun nicht mehr gekommen. Pierre Brice (bürgerlich: Pierre-Louis Baron de Bris) wurde 86 Jahre alt und bleibt als Film-Indianer unsterblich. Was Superman oder Batman für die Amerikaner ist Winnetou für die Deutschen.

Vor drei Jahrzehnten hatte der charmante Franzose sturmhaft in ein Münchner Dreimäderlhaus geheiratet, drei attraktive, zum Verwechseln ähnliche Drillingsschwestern, die ihn alle ins Herz schlossen und jetzt um ihn weinen. Favoritin war Hella und bei den anderen Sisters Gaby und Hummi durfte sich Pierre wie ein Pacha fühlen und stehen, wie es sich gerade zeigt, in schweren Zeiten zur Seite. Gaby und ihr Mann Walter, beliebte Gäste in der weißblauen Szene, organisieren Pierres Überführung von Paris nach München für sein Grab im Gräfelfinger Friedhof, wo Dücks Angehörigen beerdigt sind.

Das Gesicht von Pierre Brice wurde ein Markenzeichen. Winnetou bewohnte ein Schlößchen zwischen Paris und der Bretagne und in Paris beim Place de L’Etoile ein geschmackvolles City-Appartement. Anfangs lehnte er die Winnetou-Rolle ab. „Ich bin Franzose, ich bin kein Mischling, lassen Sie das“, sagte Pierre zu Deutschlands größtem Filmproduzenten Horst Wendlandt. Keiner wusste damals, wie Winnetou aussieht. Es gab kein Bild. Karl May lieferte keines und hat ihn nur beschrieben. Winnetous Aussehen entstand allein im Kopf von Wendlandt und kreierte den Apachenhäuptling. Es wurde die Rolle des Lebens von Pierre Brice. Mit dem Film „Der Schatz im Silbersee“ war ein neuer Star geboren. Sein Erfolg mit diesem Image beschränkte sich leider nur auf den deutschsprachigen Raum. Mit einem besseren Manager wäre Pierre womöglich in Hollywood gelandet.

Wenig bekannt: Winnetous Kunst als Koch war Klasse. Er kochte in Kitzbühel bei Freunden wie Wein-Spezialist Hardy Rodenstock und man trank „Chateau d’Yquem“mit dem Jahrgang 1929, ein besonders guter Jahrgang, dem „Baujahr“ von Pierre Brice.

Die Fans konnten sich von Deutschlands größtem Filmstar in der St. Michaels Kirche in München verabschieden, wo Pierre Brice aufgebahrt wurde.