REGENSBURG - „Müssen wir jetzt gehen“, flüstert Gloria von Thurn und Taxis, wie ein Gast, der längst die Polizeistunde überzogen hat. „Aber Durchlaucht“, antwortet die angesprochene Caterin Stephanie Birnthaler, „ Sie sind doch hier zu Hause“. Die Fürstin mit ihrer klassischen Mink-Stola zeigt bemerkenswerte Kondition, sieht so gut aus, als ob sie frisch verliebt wäre und genehmigt sich noch einen kleinen Marillen-Schnaps. Es ist 3.18 Uhr früh.
Wir sind am Hof von Bayerns heimlicher Queen, 127 Kilometer von München entfernt, in einem weißen Zelt im Park des Schlosses St. Emmeran in Regensburg, das größer ist als der Buckingham Palace, wie das der verstorbene Ehemann, Fürst Johannes stets stolz betonte. Zur Premiere der 12. „Thurn und Taxis Schlossfestspiele“ mit Verdis „Rigoletto“, die stürmisch von 3000 Besuchern beklatscht wird, geschieht auch noch das Wunder, dass es erstmals in Regensburg nicht regnet. Ein klarer Sternenhimmel krönt die laue Nacht. Nur Charlotte Knobloch von der Israelischen Kultusgemeinde, in Begleitung von vier Bodyguards, hat es nach der rauschenden „Rigoletto“-Erstaufführung auffallend eilig und verlässt ihren Platz in Reihe 1, kaum, dass die Darsteller sich ein erstes Mal verbeugen können. Das sieht sehr hastig aus. Gastgeberin Gloria muss notgezwungen mitgehen. Die anderen Festspielbesucher, darunter auch Meister-Figaro Gerhard Meir, zuständig einst für die legendären Turmfrisuren der Fürstin, honorieren das gastierende Ensemble der Staatsoper Breslau stürmisch und holen es noch für zwölf Vorhänge auf die Bühne. Von der deutschen Nebengesellschaft, die unerschrocken vom Haussender RTL gepampert wird, bleibt man verschont. Im Publikum sitzen Kenner und Gönner. 40 000 kommen jährlich nach Regensburg.
Die Fürstin, in knielangem Prada-Kleid besticht mit modern aufgezogenen Festspielen vor antiker Kulisse im Schlosshof, das konkurrenzlos ist, und beweist, wie multitask sie ist. Autodidaktin Gloria dürfte die einzige Schlossherrin sein, die ihr Unternehmen ohne rote Zahlen steuert. Die kostspieligen Berater von einst, die ihren Mann viel Geld kosteten, bekamen längst den Wanderstab.Die Dienerschaft mit Perücken und Livree gibt es nicht mehr. Die Hofbeamten tragen schwarze Anzüge und sind mit Funk ausgestattet.So fröhlich wie Gloria ihr Imperium führt, so kann sie auch feiern. Genial ist ihre Entscheidung, das Schloss zu öffnen. Beim Festspiel floriert seit über einem Jahrzehnt die Co-Operation mit Veranstalter Reinhard Söll, einem kaufmännischen Gutmenschen und gemütlichem Schwergewicht. An dem Premiere-Abend sitzt er in Reihe 1 ganz außen mit seinem europäischen Nebengeräusch, einer schwarzhaarigen Schönheit namens Swetlana Panfilow, die von Kopf bis Fuß von Designer Philipp Plein eingekleidet ist – Robe, Schuhe, Tasche, Collier, alles in saphirblau. Schon während des ersten Akts entledigt sich Söll seiner Jacke, bleibt im Hosenträger-Look und entfernt seine Hand nicht vom Knie seiner Lebensgefährtin.
Die drei Sprösslinge von Gloria, Sohn Fürst Albert und die Töchter, Prinzessin Maria Theresia und Prinzessin Elisabeth, sind nicht da. Dafür entzückt eine Schar von Nichten und Neffen. Die Söhne von Glorias Bruder Alexander sehen aus wie Max und Moritz aus dem Märchenbuch.. Schwester Maya Flick phantastisch aus und ist blendender Laune, wenn man bedenkt welche gesundheitliche Hürden sie meistern musste. Liebevoll kümmert sich ihr smarter Sohn Moritz Flick, der sehr nach seinem toughen Vater Mick Flick, Benz-Erbe, Großaktionär und Kunstmäzen,)kommt, um seine Schwester Pilar.
>Morgen gehen wir mit den Youngsters zu den Mini-Köchen, lauter Kinder, die schon gut kochen können. Ich habe es versprochen“, erzählt die Fürstin beim Aftershow-Diner, das der ehemalige Leibkoch des Fürstenhauses , Herbert Schmalhofer, hervorragend zubereitet und etwas später von Gloria zu hören bekommt:“ Wo ist denn der Smoking. Sie sind ja noch immer im Kochdress“. Bei Tisch, neben Leihwagen-Lady Regina Sixt und Bayerns Ex-Protokoll-Chef Axel Bartelt, sowie ihre Brüder Graf Alexander und Graf Carl Alban Schönburg-Glauchau, lästert Gloria über die neue Christopher-Street-Tönung beim Programm des gerade stattgefundenen CSU-Landtagsfests auf Schloss Schleißheim und bespricht Tennis-Termine. Bruder Alexander scheidet als Gegner wegen Ungefährlichkeit aus.
Weltmeister-Torwart Manuel Neuer kommt zur Sprache, der sich zum Thurn und Taxis“-Festspiel angesagt hat. In seinem Focus sind die Konzerte von Elton John und James Blunt. „Durchlaucht“, sagt Söll unterwürfig, der an ihren Tisch gekommen ist, „ die Tickets wurden bereits abgeholt, und zweimal bezahlt, was wir sofort wieder zurücküberwiesen haben, aber wissen nicht, ob er kommt“. Neuer kennt bereits die Regensburger Szene. Er war schon voriges Jahr da, als Physiotherapeut Klaus Eder runden Geburtstag feierte.
Es fällt bei der hocharistokratischen Freilicht-Aufführung auf, dass diesmal bei der stockkatholischen Gastgeberin keine Geistlichen anwesend sind, obwohl es sonst vor Priestern wimmelt.Als gemalte Köpfe lachen die >heiligen Herren von der Wand herunter, porträtiert von Gloria.Wie ausgewechselt zeigt sich Fürst Alexander zu Schaumburg-Lippe, der ohne seine Frau Nadia gekommen ist. Vielleicht besteht ein familiäres Abkommen, dass man zu zweit nur zu Hochzeiten erscheint. Die anderen Events erledigt Schaumi solo mit umwerfendem Charme, wie man in Regensburg sieht. Neuerdings schmückt sein Antlitz ein gestutzter Vollbart.
In der „Rigoletto“-Pause bittet Fürstin Gloria Familie und einen kleinen Freundeskreis in den David-Hof zu Drinks und Snacks. Immobilien-Freiherr Detlev von Wangenheim aus München überrascht mit Brille, einer raffinierten Sehhilfe aus Horn, wie man sie von Regisseur Martin Scorsese kennt. Der neue Gesichtsschmuck verfärbt sich bei Sonne schwarz und das untere Glasteil ist für besseres Lesen eingeschliffen. So betrachtet sieht der Connaisseur, von seiner amerikanischen Frau Leslie liebevoll gezähmt, jetzt seine bessere Ehehälfte mit ganz anderen Augen.
Aus Berlin ist Salonlady Trixie Millies gekommen, die das Leben in der Hauptstadt mit dem Murks-Flughafen wegen ihrer Kunst-Szene fasziniert und gerade bei der Beerdigung ihres früheren Mannes in Afrika war. Bei jedem Besuch im Schloss St. Emmeram kann die wepsige Jetsetterin Trixie in den 500 Schloss-Zimmern neue Gemälde bestaunen. Gloria hat inzwischen eine wertvolle Kollektion, die ein Katalog und eine Ausstellung längst wert wäre, keine Aktien an der Wand. Sie kauft moderne Kunst nur, wenn sie ihr gefällt. Die große Party mit Pop-Artist Keith Häring vor vielen Jahren, der die Wände mit seinen unverkennbaren Männchen tapezierte, ist noch so gut in Erinnerung, als wäre sie erst gestern gewesen. Damals bekam jeder Gast zum Abschied einen original Keith Häring-Teller. So manchem gelang es , sich mit einem Stapel der begehrten Unikate aus dem Schloss klamheimlich zu stehlen.
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