DAS ENDE VON KIR ROYAL

MÜNCHEN - Wer drin ist, ist in - auf dem kleinen Bogenhausener Friedhof. Vom weißblauen Himmel scheint gerade die Sonne auf die Gräber der Berühmten und Reichen wie Erich Kästner, Valentin-Partnerin Liesl Karlstadt, Rainer Werner Fassbinder, Monaco-Franze Helmut Fischer, Rolf Boysen, Bernd Eichinger, Josef Schörghuber (Bier) und der Henkel-Clan (Waschpulver). Es ist der 29. Mai 2015. Die Ruhestätten des schönsten Gottesackers der Welt, halb so groß wie ein Fußballplatz, versinken prachtvoll in Blumenmeeren und Gestecken. Nur ein Platz bietet ein erbärmliches Bild. Dort liegt Helmut Dietl unsanft. Ein erbärmliches Grab. Witwe Tamara Dietl, deren Mann vor zwei Monaten beerdigt wurde, hat ihn wohl schon vergessen. Das schändliches Ende von "Kir Royal".

Die überraschende Szene hätte in "Kir Royal" vorkommen können. Ein Grab, das gar keines ist auf dem Boden, wo jeder Erdkrümel unbezahlbar ist und Ruhm und Reichtum begraben sind. Wie man sieht, ist die Realität noch ganz anders als im Film wie in den sechs TV-Folgen der kultigen Satire-Serie, die gepackt ist mit viel Wahrheit und Dichtung, Regie-Fantasie, Lebenserkenntnis und jeder Menge Stoffzynismus. In Helmut Dietls letztem Film "Zettl", wie wir sehen durften, bekommt Baby Schimmerlos eine Beerdigung erster Klasse. Der Klatschreporter, dessen wirkliches Vorbild sich noch guter Gesundheit erfreut, wird in dem verzettelten Werk, nach never ending siebenjähriger Produktion entstanden, in Berlin mit Blumen und Kränzen zur letzten Ruhe gebettet.

Zumindest dieser öffentliche Akt ist auch Kult-Regisseur Dietl Ende März mit noch größerem Spektakel zuteil geworden: An drei Tagen wird der Schwabinger Al Pacino von einst verabschiedet. Es gibt eine Trauerfeier für Prominente bei der Beerdigungsfirma "Aetas" beim Westfriedhof. Die Fans dürfen sich zum großen Servus des Kult-Regisseurs in der Aussegnungshalle des Münchner Nordfriedhofs verneigen und die eigentliche Beerdigung im kleinen Familienkreis wird auf dem Bogenhausener Friedhof zelebriert. Auf diesen Himmel auf Erden kommt man nur mit dem Segen des Münchner Oberbürgermeisters und Ältestenrats oder wenn man mindestens dreißig Jahre im Nobelviertel Bogenhausen lebte und kann sprengelgerecht Anspruch auf den In-Friedhof erheben. Das Dietl-Grab liegt gleich neben dem Kircherl und ist nicht zu erkennen. Das Häuflein Elend könnte den Titel "Kir Fatal" tragen. Weder ein provisorisches Holzkreuz, noch ein Namenszeichen. Das "Prunkstück" ziert nur ein in die Erde gesteckter Holzstab.

Die Nummer "96" kennzeichnet die "anonyme Grabstätte", an der die vielen Besucher ahnungslos vorbei gehen, weil sie es nicht wissen können, dass dort Helmut Dietl liegt. Der Künstler, der mal mit Fassbinder-Diva Barbara Valentin verheiratet und mit Superweib Vroni Ferres liiert war, ist der Schöpfer der Fernseh-Serien "Münchner Gschichten", "Monaco Franze", "Der ganz normale Wahnsinn" und eben "Kir Royal". Bei der trauernden Patchwork-Family Dietl scheint indes der häusliche Friede von einst der Vergangenheit anzugehören. So wird es in der Münchner Film-Szene registriert. Nur ein Beispiel: Helmuts aufopfernde Tochter Sharon aus der spannenden Ehe mit Bestseller-Autorin Karin Dietl-Wichmann, ist nach dem Tod von heute auf morgen nicht mehr im väterlichen Büro, wo sie bis zuletzt die Verwaltung im Griff hatte. Den Scheibtisch übernahm Dietl-Sohn David aus der Verbindung mit Bernd Eichingers Filmassistentin und Vertrauter Marianne Dennler. Das millionenschwere Vermächtnis Dietls ist noch nicht in trockenen Tüchern.

Andere Prominenten-Gräber auf dem Bogenhausener Friedhof werden in der Zwischenzeit provisorisch geschmückt, bei Rolf Boysen wurde zum Beispiel die Ruhestätte mit weißen Isarsteinen und einem Kruzifix abgegrenzt. Vielleicht überbrückt Witwe Tamara, Tochter des Publizisten und SPD-Politikers Freimut Duve, mit ähnlicher Grabzierde, bis der Stein kommt. Ein Holzkreuz mit Namen hätte längst dort stehen müssen.


















Das Grab des großen Regisseurs Helmut Dietl auf dem Bogenhausener Friedhof.
Die Beerdigungsfeier war noch prachtvoll, aber nach zwei Monaten wirkte alles verflogen.