ANNELIESE FRIEDMANN (1927-2020) UND GÜNTER PRINZ (1929-2020)

Edelfeder Sibylle schrieb bei Henri Nannen im "Stern" wöchentlich ihre berühmte Kolumne.
Tee im Garten: AZ-Herausgeber (wie sie bezeichnet werden wollte) Anneliese Friedmann mit einem Gast.
Krupp-Erbe Arndt von Bohlen und Halbach begrüßt vollendet Verlegerin Anneliese Friedmann.
Debüt des neuen Kolumnisten im Jahre 1970: Verlegerin Anneliese Friedmann mit Michael Graeter, der "Hunter" Hannes Obermaier (l.) ablöste.
Damals gab es noch keine behördliche 1:50-Abstandspflicht: Herausgeber Anneliese Fiedmann, neuer Kolumnist Michael Graeter im Jahre 1970. Fotos:Heinz Gebhardt
Deutschlands bester Chefredakteur Günter Prinz mit Kollegin und Freundin Andrea Zangemeister.

MÜNCHEN/BERLIN - Adieu Anneliese Friedmann (1927-2020), Servus Günter Prinz (1929-2020) - zwei besonders wertvolle  Menschen dieses Jahrhunderts, sind in die andere Welt gegangen und hinterlassen unersetzbare Lücken des deutschen Feingeists. 

Sie, Witwe des einmaligen Zeitungsverlegers und AZ-Erfinders Werner Friedmann, sowie Edelfeder der "Stern"-Kolumne "Sibylle", führte seit 1969 die Münchner "Abendzeitung", ein Medien-Must,  Vorbild-Blatt eines jeden deutschen Journalisten. Zwanzig Jahre war ich für die AZ im Einsatz, erst als jüngster "Lokales"-Ressortleiter und dann täglicher "Leute"-Kolumnist, der später als "Baby Schimmerlos" in Helmut Dietls Society-Satire "Kir Royal" auf den Arm genommen wurde. 

Günter Prinz war ohne Zweifel Deutschlands bester Chefredakteur aller Zeiten, ein smarter Vollblut-Zeitungsmacher und Magazin-Erfinder ("Jasmin", "Eltern").  Das von ihm modern geprägte Massenblatt "BILD" ließ er täglich mit einer Rekordauflage von 5,6 Millionen über ganz Deutschland schneien. Er gab mir  für sechs Jahre eine Gesellschaftskolumne, täglich auf der letzten Seite, und danach unter seiner Regie bei "Bunte" eine 10-Seiten-Kolumne (1989 bis 1998), jede Woche. Der exklusive Report über Personen und Persönchen aus aller Welt interessierte anscheinend   so, das in dieser Zeit das Magazin von hinten gelesen wurde. 

Von Günter Prinz (und Sigi Sommer) habe ich das meiste gelernt und bekam den Feinschliff, von Annelies Friedmann die feine Rücksicht bei manch harter Story. Sie ließ mir freien Lauf. Zu knirschenden Begegnungen kam es manchmal, und meist in Anwesenheit des Chefredakteurs Udo Flade, wenn das Thema meiner Kolumne den engen Friedmann-Freundeskreis berührte.  Die Mängelrüge im Chefbüro nannte ich "Schamponierung", in "Kir Royal" ist dies verewigt. Während meiner Zeit als "Lokales"-Chef traf ich Anneliese Friedmann nur als Ehefrau des Zeitungsherausgebers. Werner Friedmann, größter Fighter bei Medien-Duellen mit Franz Josef Strauß, holte mich aus der Provinz. Sein Verleger-Kollege Curt Frenzel ("Augsburger Allgemeine") hatte mich als Volontär genommen. Beim Einstellungsgespräch (die Journalistenschule war geschlossen) in Augsburg saß ich mit einigen "Federn"  vor Frenzel, der gefürchtet war und breit hinter einem Mega-Schreibtisch aus Edelholz wie ein großer Hollywood-Produzent saß. Mut-Unterstützung gab mir mein Vater für das Treffen:"Du stellst Dir ihn in langen Unterhosen vor". Bei dem "David und Goliath"-Meeting schoss mir plötzlich die "lange Unterhose" in den Sinn und ich konnte meinen Lachanfall nicht verkneifen.  Als ich Frenzel  mein  Verhalten erklärte, fing er ebenfalls an zu Lachen und sagte brustend:"Da gehen's zum Personalbüro und holen sich die Papiere".

Erstmals dienstlich kam ich 1969 mit Anneliese Friedmann in Berührung, als sie die Zeitung übernahm, nachdem  Werner Friedmann überraschend verstarb. Er war auf dem Weg nach Daglfing zu seinem Freizeit-Hobby, zur Trabrennbahn.  Ein paar Jahre vorher war ich  nach Paris gegangen. Friedmann hatte mir bei der "France Soir" einen Ausbildungsplatz besorgt und  schrieb  mir, dass er jeden Monat 500 Mark überweisen werde, "damit wir uns nicht aus den Augen verlieren". Diese herrliche Unterstützung aus heiterem Himmel ohne Gegenleistung wurde allerdings sofort gestrichen, als die Todesnachricht kam.

 Zuletzt sah ich Madame Friedmann, die im Herbst ihres Lebens im Aussehen etwas an Coco Chanel erinnerte,  einen Tag nach ihrem 90. Geburtstag. Sie lief vor dem Hotel "Bayerischer Hof" an mir vorbei, am Stock , gebückt und den Blick nach unten. Erst als ich den treuen Friedmann-Chauffeur Spargel zwischen den parkenden Autos dastehen sah, hatte ich keinen Zweifel an der überraschenden Begegnung. Ich gratulierte ihr zum Geburtstag und sie sah mich mit ihren vergißmeinnichtblauen Augen freundlich, aber unverbindlich an. Bei meiner krankhaften Neugierde wollte ich natürlich wissen, ob sie mich erkannt hatte. (Ich weiß noch, wie sie  mich 1970 oben im Penthouse des "Bayerischen Hof " als "Hunter notiert"-Nachfolger der Münchner Gesellschaft vorstellte und sie mir  zum Abschied bei der AZ  im Restaurant "Hundskugel" einen ledernen Rucksack" für meinen weiteren Weg"  schenkte. ) Ich rief also ein paar Tage später die Nummer des Fahrers Spargel an und wollte wissen, ob die Verlegerin etwas von mir im Auto gesagt hätte. Eine Dame  meldete sich am Apparat und sagte kühl:"Ich kann Sie Herrn Spargel nicht geben". Als ich erklärte, dass ich auch lange bei der AZ gewesen sei, bekam ihre Stimme einen traurigen Tonfall:" Ich bin seine Frau, er ist gestern gestorben. Der Wagen von Frau Friedmann steht noch vor der Haustür. "

Günter Prinz, der keine Mercedes-Limousinen ausstehen konnte,  weil die Nazis damit rumfuhren, war  großzügig. Laut "Bunte"-Vertrag durfte ich immer "First Clas" fliegen, "weil da ja dein Klientel sitzt. In der Holzklasse ist niemand für Dich"" und wies mir eine Traumgage an, als ich  für sechs Wochen neben meiner Kolumne eine Prominenten-Serie schreiben musste. Begeistert registrierte er kurze Zeit später mitten  in der "Sauren Gurken-Zeit", "dass die Auflage um 28 Prozent gestiegen ist". "Bravo" lobte er. Einmal nahm mir Günter geradezu gierig ein Bild aus meiner gerade fertig produzierten "Bunte"- Kolumne, das Fotografin Sabine Brauer geschossen hatte . "Ich brauch das für den  vorderenTeil, der für mich noch nicht  ganz so pfiffig war. Das blonde Girl passt genau rein", begründete er seinen  Story-Raub. Es war das erste Foto der unbekannten Claudia Schiffer, die mir Karl Lagerfeld bei einer Kollektions-Show in Paris vorstellte. "Sie suchen doch immer deutschen Bezug. Sie kommt aus Düsseldorf und heißt Schiffer", sagte Karl. Als ich der Neuentdeckung gleich riet, einen Künstlernamen anzunehmen, reagierte sie ganz erbost.

Noch an eines kann ich mich noch wie heute an Günter Prinz erinnern, der viel zu intellektuell und elegant für die "Boulevard"-Szene war, als er eines Tages in mein Büro stürmte, mit jeder Menge kalter Champagnerflaschen "Veuve Clicquot" im Arm. "Wir müssen die Millionen-Auflage der "Bunten" feiern", jubelte er. Meinen Einwand, das  Senator Franz Burda schon längst die Rekord-Auflage von 1 Million erreicht habe, wies Prinz heftig zurück. "Er hat davon immer  nur geträumt und es falsch gemeldet. Jetzt ist es erstmals Wahrheit: Jetzt verkaufen wir eine Million "Bunte".