HELMUT DIETL

ie Tür steht einen Spalt offen. Helmut Dietl, an Lungenkrebs erkrankt, ist bettlägerig und kann alles hören. Es ist Montagmorgen, die Ärztin ist gekommen und läuft erschrocken aus dem Schlafzimmer des Meister-Regisseurs. Dietl lebt in Schwabing in einem 350 Quadratmeter großen Penthouse in der Kaiserstraße. Das schönste Domizil seines Lebens. Es waren vorher zwei Appartements gewesen,die er mit Freund und Edelfeder Patrick Süskind gekauft hatte. Später zahlte Helmut den Anteil von Patrick zurück, um die luxuriöse Immobile für sich und Frau Tamara als Super-Nest allein zu haben.


Die Ärztin ist übernervös. Da kann er nicht bleiben, entscheidet sie spontan und beginnt heftig mit Klinik und Krankentransport zu verhandeln. Dietl muss an eine Maschine. Das Wort „Krankenhaus", in das Helmut Dietl um Himmels Willen nie wollte, das muss er aufgeschnappt und ihn so schockiert haben, dass er wohl sein Licht selbst ausgeknipst hat. Als die Medizinerin zehn Minuten später wieder ans Bett tritt, liegt Helmut Dietl tot da. Er hat anscheinend letztmals selbst Regie geführt und wollte den Boandlkramer nicht mehr überreden. David, sein Sohn, kämpft mit den Tränen. Seit drei Wochen hat er Papa gepflegt, war aus Berlin gekommen und hat seinen Beruf als Regisseur links liegen gelassen. Einen fremden Pfleger wollte Helmut Dietl nicht zugelassen. Das Ende :der ganz normale Wahnsinn.


Vor Ostern wird der „Kir Royal“-Regisseur nicht mehr beerdigt und soll ein Grab im kleinen Bogenhausener Friedhof bekommen, dem schönsten Gottesacker der Welt. Da liegt auch seine Entdeckung Helmut Fischer, der Monaco-Franze, dessen letzte Ruhestätte permanent das ganze Jahr mit Blumenpracht heraussticht. Die Trauerfeier, nur auf Einladung, wird in der Aussegnungshalle des Münchner Nordfriedhofs zelebriert. Das ist wohl für Schwabing zuständig. Man hätte es auch im Ostfriedhof durchführen können. Da diente die Aussegnungshalle schon mal für „Kir Royal“. Das Kuppel-Palais (Miete 485 Mark) diente in den 80er Jahren Helmut Dietl als Schauplatz für eine „Tantris“-Anspielung. Wir kennen die Szene: Mario Adorf, mit seinem ganzen Geld, sitzt allein an seiner leeren langen Tafel im exklusiven Restaurant auf der Jagd nach Baby Schimmerlos.


Helmut Dietl war wie Helmut Fischer Gast in meinem „Café Extrablatt“ am Stammtisch aus Tonet-Gestühl. Der Monaco-Franze mit seinem streng geheim gehaltenen Sturm 2, der Dietl mit aktueller Weiblichkeit. Erfunden und geschmiedet wird die Society-Satire in diesem Lokal. Der Monaco-Franze war längst abgedreht. „Kir Royal“ kennen weder Helmut Dietl, noch sein Produzent Jürgen Dohme, noch die Zampanos vom WDR, der später das Kultstück produziert und ausgestrahlt hat.“Kir Royal“, das französische Getränk, Champagner mit Cassis, steht ganz oben auf der Speisekarte des „Extrablatt“. Ich spendiere eine Runde. Es schmeckt und die merkwürdige Bezeichnung „Kir Royal“ wird als Arbeitstitel verwendet. Als die sechsteilige Fernseh-Serie fast fertig ist, bekommt Helmut, ein Zyniker, aber auch Zauderer vor dem Herrn, kalte Füsse. Dietl will den Titel verwerfen. Glücklicherweise, ganz an der Spitze Produzent Dohme, können wir ihn überzeugen. Bis heute ist „Kir Royal“ ein geflügeltes Wort, ein Synonym für Busse-Bussi-Gesellschaft.Ich wohne damals als Nachmieter in Helmut Dietls früherer Wohnung in der Leopoldstrasse. Das waren auch zwei Appartements, die zu einer zusammengelegt worden waren.


Karin Dietl-Wichmann, Helmuts erste Frau, mit der er die erwachsene Tochter Sharon hat, ist dabei, als wir in Los Angeles in den 80er Jahren die erste Formen von „Kir Royal“ entwickeln. Dietl hat einen Bungalow, ich glaube den einzigen des Hotels „Chateau Marmont" gemietet, wo man lässig herumspielen kann. Rainer Werner Fassbinder hat in der tolldreisten Herberge Richard Gere näher kennengelernt. Visconti-Star Helmut Berger, für „Denver“ in USA, hätte - mit schwarzen Haaren - den Baby Schimmerlos spielen können. Im Paket wären Linda Evans (Verlegerin) und Joan Collins gewesen, gute Freundinnen von Berger. Wir treffen uns dreimal. Aber Helmut aus München traut Helmut aus Rom nicht. Dietl verpflichtet für die Reporter-Rolle Nikolaus Paryla. Er dreht zehn Tage mit ihm und bricht ab. Produzent Dohme rauft sich die Haare. Zufällig taucht Dramaturg Franz Xaver Krötz auf. Er ist - noch nie vor der Kamera - das Himmelsgeschenk in letzter Minute. Ein Joker nach den Probeaufnahmen: Krötz passt die „Baby Schimmerlos“-Garderobe. Er hat die gleiche Größe. Der Produzent muss keine neuen Kleider kaufen.


Nach dem „Kir Royal“-Erfolg - die zweite Ausstrahlung verdrängt die TV-Satire die „Schwarzwaldklinik“, weil damals die Quote in der Hosentasche errechnet worden ist - sechs weitere Folgen drehen. Stoff gibt es in Hülle und Fülle. Beim WDR, von dem ich mein Beratungs-Honorar bekommen habe, befürchtet man juristischen Ärger. Es gibt aber keine Klagen, nur von Leuten, die nicht in der Serie vorkommen. Als der Sender schließlich für eine Fortsetzung bereit ist, will Helmut Dietl nicht mehr. Er war eingeschnappt.


Seine neue Vorliebe für Gesellschafts-Themen arbeitet er mit „Rossini“, Schtonk“ und „Late Show“ ab. Beim letzten Projekt fürs Kino verzettelt er sich im wahrsten Sinne des Wortes.Für „Zettl“ braucht er sieben Jahre. Er will die Berliner Gesellschaft durch den Kakao ziehen. Das wäre schön gewesen, aber es ist absud, dass er dem Baby Schimmerlos das Los zuteilt, nach Berlin auszuwandern. Das tut weh. Franz Xaver Krötz liest das „Zettl“-Drehbuch und winkt ab.Nach dem gewaltigen Flop wirkt Helmut Dietl wie verändert. Er vermarktet seinen Lungenkrebs in den Medien, nimmt sogar einen „Bambi“ entgegen, einen Illustrierten-Preis, über den Helmut Dietl in den letzten Jahren nur gelästert hat. Eine Serie mit ihm und seiner Frau Tamara in einer Münchner Tageszeitung, die einem wie die Geisers im deutschen Trash-TV vorkamen, wären früher undenkbar gewesen. Zu seinem Finale äußerte er sich spöttisch: Helmut wünsche sich ein Seemannsgrab im Kleinhesseloher See in München. Das ist aber dort nicht erlaubt. Da könnte auch keiner mehr baden.


Neulich war ich mit meinem Sohn Micky im angesagten Club „Heart“. Der 23jährige Junior erklärt, dass man mich hier nicht mehr kenne und werde aber am Eingang einfach durchgewunken, als sei ich jeden Abend da. Als Micky etwas später von den Waschräumen zurückkommt, erzählt er verwundert: Da hinten sind zwei 19jährige. Da sagte einer: Da vorne steht der „Baby“."
Es tat bitter weh, als ich die schlimme Nachricht einschlug. Wie ein Stromschlag schoss es durch den Körper. Aus,Äpfel, Amen, wie es einst Sigi Sommer sagte. Helmut Dietl, an Lungenkrebs erkrankt, hat den Boandlkramer nicht mehr überreden können.Eine zweite Chemo schlug nicht an. Den Seinen gibt der Herr daheim zu sterben.

Karin Dietl-Wichmann, seine erste Frau vor vielen Jahren, die ich sofort informierte, brach in Tränen aus. Sie liebt Helmut noch immer, mit dem sie die erwachsene Tochter Sharon hat, obwohl sie ihn in der Ehe mehr als einmal verwünscht hat. Der ganz normale Wahnsinn.

Karin war dabei, als Helmut und ich in Los Angeles in den 80er Jahren erste Formen von „Kir Royal“ entwickelten. Visconti-Star Helmut Berger sollte dabei sein, Linda Evans und Joan Collins. Aber Helmut traute Helmut nicht. Dietl verpflichtete Schauspieler Nikolaus Paryla und drehte mit ihm zehn Tage. Das war eine Fehlbesetzung und zufällig tauchte Xaver Krötz auf. Ein Himmelsgeschenk in letzter Minute, vor allem aber auch, dass Krötz die bereits eingekaufte "Baby Schimmerlos“-Garderobe passte. Er hatte die gleiche Größe wie sein Vorgänger.

Geschmiedet wurde die TV-Satire, die Dietls Meisterstück an der Seite der Edelfeder Patrick Süskind wurde, in meinem Schwabinger Lokal „Extrablatt“, wo Helmut Stammgast war und die aktuellen Frauen und Freundinnen ausführte. „Kir Royal“ kannten weder er noch sein Produzent Jürgen Dohme noch die WDR-Zampanos. „Kir Royal“, das französische Getränk, Champagner mit Cassis, stand ganz oben auf der Speisekarte des „Extrablatt“. Ich spendierte eine Runde. Es schmeckte und der Name „Kir Royal“ wurde zunächst als Arbeitstitel verwendet. Als die sechsteilige Fernseh-Serie fast fertig war, wollte Helmut, ein Zyniker, aber auch Zauderer vor dem Herrn, den Titel verwerfen. Glücklicherweise konnten wir ihn überzeugen. Heute ist „Kir Royal“ ein Synonym für die Busse-Bussi-Gesellschaft. Damals wohnte ich übrigens als Nachmieter in Helmut Dietls Wohnung in der Leopoldstrasse, zwei Appartements, die zusammengelegt worden waren und den angenehmen Vorteil hatten, zwei Bäder zu haben. Er zog in die „Villa Kunterbunt“, einem Mietshaus Ecke Ainmiller-Römerstrasse, wo eine künstlerische WG mit Süßkind und Co ausgelebt wurde. Dietl übernachtete dort auch während der Ehe mit Tamara längere Phasen in seinem Büro mit Hund Coco. Zuletzt genossen die Dietls höchste Wohnkultur in seinem Eigentums-Penthouse in der Nähe der Kaiserstrasse, wo Helmut starb.

Wir wollten nach dem „Kir Royal“-Erfolg weitere sechs Folgen drehen. Aber beim WDR befürchtete man juristischen Ärger. Es gab keine Klagen, nur jene von Leuten, die in der Satire-Serie nicht vorkamen. Als der Sender schließlich für eine Fortsetzung bereit war, wollte der eingeschnappte Helmut Dietl nicht mehr.

Sein neues Film-Terrain nach "Monaco Franze" arbeitete er mit „Rossini“, „Stonck" oder "Late Show" ab. Mit dem letzten Projekt im Kino verzettelte er sich. Helmut wollte die Berliner Gesellschaft durch den Kakao ziehen, was schön gewesen wäre. Es misslang. Absurd war auch seine alleinige Idee Baby Schimmerlos nach Berlin auswandern zu lassen. Besuchsweise in der Hauptstadt aufzuschlagen, wäre möglich, aber ein Standort-Wechsel für den weißblauen Gesellschaftsreporter völlig unglaubwürdig.

Gleichzeitig mit seiner Medien-Verwertung der Lungenkrebs-Erkrankung änderten Helmut und Tamara ihren Lebensstil, liessen sich wie die Geissens im deutschen Trass-TV in einer Münchner Tageszeitung feiern und er nahm sogar einen „Bambi“ entgegen, einen Preis, über den Helmut Dietl in den letzten Jahrzehnten nur gelästert hat. Über sein „Finale“ äusserte er sich spöttisch. Er wünsche sich ein Seemannsgrab im Kleinhesseloher See. Das ist aber dort nicht erlaubt. Da kann auch keiner mehr baden.

Trotz allem: Helmut Dietl zählt bei mir zu jenen Freunden und nahen Bekannten, bei denen man es sich gar nicht vorstellen kann, dass auch er mal sterben wird. Umso größer der Schock.