DER KLEIDERMACHER VON "KIR ROYAL" IST TOT
MÜNCHEN - Der Boandlkramer kennt keine Gnade. Gestern, am 22. September 2021, nimmt er mir einen langjährigen Freund, ein spannendes Objekt meiner langjährigen Kolumnen und ein Star seines Glamour-Gewerbes. Kostümbildner Bernd Stockinger, der die gesamte "Kir Royal"-Szenerie perfekt angezogen hat, starb in seiner Münchner Wohnung.
Die Nachricht schlägt brutal ein im Kreis der deutschen Film- und Fernsehbranche. Bernd plötzlich tot, dem trotz seines Zweimal-40sten Alters eine große Portion Lausbub in seiner Art geblieben ist, wirkt wie ein trockener Kinnhaken. Das Glockenbachviertel trägt Trauer. Vor vierzehn Tagen war ich mit ihm noch im Cafe und wollte ihn zwei Wochen wieder treffen. Wir ratschen über alte Zeiten. Natürlich Inside-Schwabing, Inside-Polanski, Inside-Freddie Mercury und Inside-Rolf Albrecht, seinem Partner beim Top-Designer-Duo "Sweethearts", den fröhlichen Kleidermachern der pfiffigen Girls und vornehmen Ladies. Bernd macht das Hochzeitsrobe von Mirja Sachs, ein Hammerkleid und auch das von Junior Rolf Sachs feuriger Frau Maryam.
Als "Sweetheart-Co" Rolf sich trennt und nach Mexiko auswandert, wo er mit neuen Lieben und Freunden, Hotels und Immobilien noch glücklicher wird, findet der immer bescheidene Bernd seine Rolle als genialer Kleidermacher bei Helmut Dietls Projekten. Jeder Blazer, jeder Schal, Hemden und Hosen, Mäntel, sogar Reizwäsche und Berufsgarderobe sind für die sechsteilige Society-Satire "Kir Royal" von Stockinger besorgt, entworfen und hergestellt worden. Kurios: Wenn die zusammengestellten Kleider Hauptstar "Baby Schimmerlos" Franz Xaver Kroetz nicht gepasst hätten, wäre die Serie ohne ihn gedreht worden. Produzent Jürgen Dohme wollte nicht nochmals Geld für Film-Garderobe ausgeben. Zehn Tage agierte nämlich schon ein anderer, Charakterschauspieler Nikolaus Paryla, den "Baby Schimmerlos", der wie sich rausstellt, eine eklatante Fehlbesetzung ist. Für ihn hatte Stocki alle Kostüme zusammengestellt. Schließlich muß selbst Regisseur Dietl eingestehen, dass er falsch gelegen ist. Helmut sitzt ab dann ohne Hauptdarsteller da und auf Kohlen. Zufällig schneit einige Wochen später Kroetz ins Büro und erlöst ihn vom mörderischen Druck. Schnell arrangierte Probeaufnahmen mit dem Dramaturgen passen und auch die Kleider für Gesellschaftsreporter "Baby Schimmerlos".
In Bernds und Rolfs florierender Schneider-Stube in der Leopoldstrasse in Schwabing geht es zu Hochzeiten zu wie in einem Taubenschlag. Tina Turner, Marisa Berenson und Bianca Jagger drücken sich die Türklinke in die Hand. Die First Ladies der Bismarks, Hohenzollerns, und Toerrings lassen dort ihre Roben schneidern, auch Udo Jürgens Ehefrau Panja und Elvira Netzer, die zeitlos schöne Ehefrau von Fußball-Experte Günter Netzer. Mode-Gazelle Karin Feddersen , damals Deutschlands attraktivstes Model, bekommt ihr Outfit für lau, weil sie für die "Sweethearts" modelt, einmal quer über die Leopoldstrasse, wo der ungewöhnliche Catwalk den Straßenverkehr zum Stehen bringt. Iris Berben, noch gänzlich unbekannt, muss den EK-Preis berappen. Bei der Deutschland-Premiere von "Hair" trägt Donna Summer "Sweethearts", noch eine Gemeinschaftsproduktion der beiden. Als Rolf Albrecht weg ist, arbeitet Bernd als Solist weiter, kleidet Veronica Ferres und er Christiane Hörbiger ein, Heino Ferch, Helmut Fischer, Christine Kaufmann, Ruth Maria Kubitschek, Franz Xaver Kroetz und für Freddie Mercury entwirft er die weißen und silbernen Uniformen.
Bernd Stockingers liebster Kunde heißt Helmut Dietl. Für alle seine Filme arbeitet er als Kostümbildner, darunter für "Rossini", "Monaco Franze", "Schtonk" und "Zettl". 40 000 Mark beläuft seine Gage pro Film. Sogar 60 000 verdient Stockinger bei Dietls letzter Produktion.
"Kollege" Rudolph Moshammer hat Stockinger nie geschätzt und gleich von Anfang an als Aufschneider durchschaut, als er dort für Weltstar Mario Adorf einen Anzug für "Kir Royal" machen lassen will. "Weder er noch seine Mutter waren nette Leute, sie arbeiteten regelrecht unseriös. Ohne Vorkasse fingen die gar nicht an", hat Bernd damals erzählt, "Mosi wolle zuerst einen Scheck über 2000 Mark. Er wartete dann solange, bis ich meine Assistentin mit dem Scheck zu ihm geschickt habe. Als ich dann den Anzug abholte, war er viel zu eng. Adorf konnte seine Arme nicht bewegen. Ich reklammierte und Moshammer maulte:" Er liefere an Königshäuser und niemand habe sich jemals beschwert. Nehmen's das Ding oder lassen's hier, sagte er frech. Das fand ich unerhört. Wir hatten 4000 Mark bezahlt und mussten den Anzug noch für zusätzliches Geld woanders ändern lassen."