DAS SPÄTE "DENKMAL" VON AUFSCHNEIDER MOSHAMMER

Daisy - ein Hundeleben neben Mosi.

MÜNCHEN - Als München noch mondän war und die große weite Welt durch Deutschlands bestes Feinschmeckerlokal „Humplmayr“ wehte, erduldete die weißblaue Hauptstadt wie keine den Prototyp Mehrscheiner. Einige davon leben in dem zurückgetrimmten Dolce-Vita-Dorf noch, das Null Herz und viel Nerz auszeichnet, manche liegen längst bei den Radieschen und andere greifen überraschend nach dem Windschatten des längst Vergessenen aus dem ultimativen Nichts, wenn es nur hilft, selber mal zu leuchten. Wie jetzt bei Mosi. Einen Hype hat der BR ausgelöst, nachdem er dem Modeboutique-Besitzer und von flüchtigen Journalisten zum Modezar Erhobenen Rudolph Moshammer ein Fernsehfilm-Denkmal gesetzt hat.

Die „ Wiederbelebung" besteht aus einer Satire „Der große Rudolph“ (Sendezeit: ARD Primetime), und einem „Lebenslinien“-Beitrag, einer bislang angesehenen Sendereihe. Von einem bronzenen Standbild werden wir wohl verschont bleiben. Aber schon melden sich längst abgeschriebene Leute, um posthum an Rudolph Moshammer Anteil zu nehmen, der am 14. Januar 2005 bei Finanzstreitigkeiten durch einen Vertreter der Wellness-Szene ums Leben kam. Der Film, letzte Woche im Münchner „Gloria“-Kino angelaufen, ist ein gelungenes Gemälde, Zeitfehler stören kaum. Denn als der „Große Rudolph „groß“ wurde, war Thomas Gottschalk noch nicht groß und noch kein Kunde, kaufte zwar ein Konzernherr Flick ein, bis er wusste, dass Moshammer Wucherpreise nahm, aber ein Industrie-Manager Beitz wurde nie gesichtet, der damals Krupp-Erbe und Mosi-Förderer Arndt von Bohlen und Halbach über den Tisch zog. Schauspieler Thomas Schmauser hat trotz großer Maskenbildnerkunst Rudolph Moshammer nicht getroffen. Mosi konnte dämonisch dreinblicken wie David Copperfield, war tuntig, süßlich-schmierig, in der Endphase eher unappetitlich. Hannelore Elsner verblüfft dagegen genial als blau getönte und geföhnte Mama Else, der laufenden Meter. Als Mutter Moshammer noch die Seele im Geschäft war, kam Geld in die Kasse.

Ob der Anlieger der Maximilianstraße 14, Rudolph Moshammer, der Kategorie "Moos hamma" angehörte, blieb zeit seines Lebens ein ungelöstes Rätsel. Es muss jedenfalls geheimnisvolle Zuflüsse gegeben haben. Die zum Souvenir-Shop mutierte Modeboutique kann es nicht sein. Das Mini-Restaurant "Hundskugel" warf nicht so viel ab, dass es das Moshammer-Luxusleben schulterte. Die Busgäste der Münchner Sightseeingtour stiegen nicht aus, um einen Gedächtnis-Obolus abzugeben. Die rucksackbewehrten und den Pfennig eher umdrehenden Fans drückten sich nur die Nasen an der Schaufensterscheibe platt. Dort erblickten sie neben vielen Krawatten zu gut bürgerlichen Preisen auch Daisy, die für 39.90 Euro angebotene Plüschversion von Rudolphs hechelndem Haustier, das er bei Fernseh-Interviews hielt wie ein Bauchredner seine Puppe. Wenn das TV-Interview länger dauerte, fiel der Schoßhund, Modell Yorkshire, schon mal leicht nach vorne und das Tierchen wedelte wild mit der Zunge um Balance zu kriegen. Fünf Yorkshires lebten und starben an seiner Seite.

Bei Fernseh-Auftritten verdiente R.M, der nie ein Schneider, höchstens ein Aufschneider war, nicht die Summen wie kolportiert, sondern bezog wie jeder normal sterbliche Talk-Gast das öffentlich rechtliche Anstaltshonorar in Höhe von 250 Mark plus Spesen. Ein spektakulär angekündigter Auftritt im Münchner Verkaufssender "HOT" , wo er nach Meisterkoch Alfons Schuhbeck im Programm war, entpuppte sich eher cool. Sein Umsatz: zwei Bücher und zwei T-Shirts. Am zweiten Tag lief die gleiche Sendung. Als Schuheck ihn fragte, wieviel er heute verkauft habe, antwortete Mosi: "Ein bisserl weniger als gestern."

Seine monatlichen Fixkosten waren sicher nicht gering. In der Tiefgarage des Hotel "Vier Jahreszeiten" schräg gegenüber der mit Musik berieselten Boutique belegte ein Rolls Royce einen abgesperrten Stamm-Parkplatz, Monatsmiete 300 Mark. Fuhrparkmäßig speckte er später ab - früher waren es dort drei Rolls auf drei Parkplätzen, in denen Mütze und weiße Handschuhe auf dem Fahrersitz lagen und die laut Edel-Limousinen-Händler Rüdiger Czakert ("Auto König") nicht geleast, sondern bezahlt gewesen seien.

Dem Pompadour-Pomp hinkte das persönliche Erscheinungsbild von Rudolph Moshammer allerdings hinterher, dessen oft zu eng getragene Zweireiher-Blazer in der Bauchgegend stärkeren Gebrauchsglanz aufwiesen und deren Knöpfe für einen Aussenstehenden lebensgefährlich werden konnten, weil sie mit mindestens vier atü unter Druck standen. Bei rascher Bewegung oder einem Niesen hätten sie abspringen können wie Gewehrkugeln. Gelegentlich warb das „Münchner Original“, das gern zu kostensparenden Events eilte und sich oft selbst einlud wie zum Neujahrsempfang der CSU im "Franziskaner" unfreiwillig für eine Zigarettenmarke. So sah man Schicki Mosi beim Iberl-Bühnenjubiläum auf der Rohrtribühne sitzen und zwei Reihen unter ihm entdeckte die weitgereiste attraktive Gräfin Barbara Metternich, beim Hinaufschauen ein beträchtliches Loch in seiner Slippersohle, das an den Slogan "I walk a mile for a camel" denken ließ. Ex-Ministepräsident Edmund Stoiber drohte er, aus der CSU auszutreten, falls er nicht eingeladen wird. Moshammers ganze Sorge galt seiner toupierten Zweipack-Frisur im klassischen Kunstschwarz. Der Dark Vader-Helm mit dem Erscheinungsbild von Biene Majas Willy mit seinen zwei Antennenhaaren schien Scheckheft-gepflegt. Es gab Zwillingsteile dieser Haare, die von erfahrener weiblicher Hand in Grünwald allwöchentlich auf Vordermann gebracht wurden. Seltsam war, dass Rudölph auf diesen Butterfly-Look so versessen war. Eine ehrliche Glatze und ein Errol Flynn-Bärtchen hätten der Geisha besser gestanden.

Als simpler Geselle im Modegeschäft Roedig und später beim legendären Herrenschneider Max Dietl in die Gesellschaft vorgedrungen, gab es Mosi schon zu Zeiten, als Paradiesvögel in München leuchteten, wie der maharadschahafte Thai-Generalkonsul Herbert G. Styler und seine Diamanten-Wally, der barocke James Graser oder Schnorrerkönig Poldi Waraschitz, der sein Nassauergehabe so kultivierte, dass er nirgends mehr zahlen musste. Moshammer musste was tun für seine „Marke“. Dazu gehörte ein werbeträchtiger Spaziergang mit einer bestens gefütterten Raubkatze an der Leine auf der Maximilianstraße. Schnell erkannte Rudolph, Baujahr 1940 laut Finanzamt, dass nichts so gut und billig ist, wie sich mit Benefiz in den Mittelpunkt zu bringen. Was für Ute Ohoven in Düsseldorf die Kinder, waren plötzlich für Rudolph in München die Obdachlosen. Er operierte dabei mehr als Vermittelnder denn als gebender Wohltäter. So ließ er seine Beziehungen spielen als in der einschlägigen Teestube in der Zenettistraße 32 eine Kaffeemaschine fällig wurde. Vor laufender TV-Kamera verteilte er unter der Wittelsbacherbrücke, der bekannten Münchner Obdachlosen-Adresse, rote Päckchen, in denen nix drin war, die sich aber optisch gut machten. Den Null-Beschenkten versprach er, dass sie später was kriegen. Schnellstens besorgte er bei einem Discounter dann Unterwäsche in Übergröße für die armen Teufel. Mit einem Rolls fuhr er oft nach der Polizeistunde auf die Wiesn oder zum Hauptbahnhof und lud Schiffschaukelburschen und  Herumtreiber ein. Meistens waren es ausländische Hilfsarbeiter, denen er die Ausweisung androhte, wenn es Zwist beim Bezahlen gab. Zu Weihnachten 2003 als die Katholische Männerfürsorge die Obdachlosen zum warmen Essen ins Münchner Hofbräuhaus bat, wurde Rudolph nicht gesehen. Vielleicht war es Absicht, weil man nicht mehr Reporter als Obdachlose im Saal haben wollte. Seine Kämpfernatur für Obdachlose ist in seiner Sozialbeichte "Mama und ich" dokumentiert, einem Buch, in dem Rudolph Moshammer mit seiner Mutter Else weiter lebt. Seite 128: "Scheue mich nicht, kraft meines Namens und meiner Publizität Kunden und Freunde um Unterstützung zu bitten oder mich über die Medien an ein Publikum zu wenden, das sonst nicht zu erreichen ist."

Für "Mama und ich" muss Moshammer, der laut Buch zum näheren Bekanntenkreis der englischen Queen und dem monegassischen Monarchen Fürst Rainier III. zählte, selbst zum Kugelschreiber gegriffen haben - so ghostreich kann kein Mensch sein. Bei Moshammers Schriftsteller-Debüt "Kleider machen Leute" hatte noch Petra Schürmanns Ehemann Dr. Gerhard Freund die Feder geführt. Für Werk zwei fand er keine Worte.

Als Moshammer starb, waren private TV-Sender ganz wild auf eine Berichterstattung der Beerdigung, „die ja mit viel Prominenz“ ablaufe. Obwohl man den Sarg durch die Maximillianstrasse trug, säumten nur so viele Leute den Fußweg , wie bei einem ganz normalen Autounfall. Halt - Roberto Blanco ging mit.