DER VERWEIBLICHTE SALVATOR

MÜNCHEN- Beim barocken Jahres-Rhythmus Münchens steht neben Oktober- und Frühlingsfest, Fasching und Festspielsommer der „Salvator"-Starkbier-Anstich rot im Terminkalender. Mit Spott und Spaß wird die fünfte Jahreszeit auf dem Nockherberg ( und früher fast gleichgroß die Starkbier-Konkurrenz „Triumphator" im Löwenbräukeller am Stiglmeierplatz) gefeiert und „gefastet“. Sich mit Alk zu züchtigen scheint doch schön zu sein und Bier soll (dosiert) die Gesundheit fördern und das Herzinfarkt-Risiko schmälern.

Kaum sind die gezügelten Bier-Wochen zu Ende gegangen, schon steht der „Maibock“ bevor. In München hat die Leber vor lauter süffigem Bier kaum Chancen für eine Besinnung. Die typisch Münchner Trinkgewohnheiten, in dieser Massivheit auf der Welt einzigartig, sind geblieben, beim Procedere des Gerstensaft-Fests auf dem Bierhügel Nockherberg aber gravierende Veränderungen der Münchner Tradition vorgenommen worden, die sehr stören. Ein Angriff auf den weißblauen Schmelz. Unverständlich widerstandslos sind Zeremonien-Gebräuche gekippt worden:

Erstens: Der Paulaner-Bruder Frater Barnabas ist beim „ Salvator"-Anstich inzwischen zur „Mama Bavaria“ mutiert, was die Mönche im Grab kreisen und die Münchner den Magen umdrehen lässt - bei dieser Verweichlichung. Gottseidank ist der Keferloher Maßkrug behalten worden, der das Bier länger kühl lässt, aber auch" zurückhaltendes Einschenken" erleichtert.

Zweitens: Die einstige Matinee-Gala, bei der mit Ausnahme der Ehefrau des Ministerpräsidenten und mitarbeitende Damen nur Herren zugelassen waren, rund 600 Männer, die das Rad in Bayern drehen, ist in die Abendstunde verlegt worden. Der Berg rief früher gegen elf Uhr vormittags, es gab Weißwürst und Kalbsbraten. Sigi Sommer, Blasius der Spaziergänger, berichtete über das Derblecken der Landes- und Bundespolitiker am nächsten Tag. Der Wirt hieß damals Helmut Huber, der uns an nichts fehlen ließ. Zuletzt steuerte Nockherbergführer Peter Pongratz das Großlokal, der gerade seinen 70. Geburtstag feierte und jetzt den Schlegel Profi-Gastronom Christian Schottenhamel übergibt.

Bevor die willkürlich erfundene „Mama Bavaria“, Luise Kinseder, 2011 in die Männer-Domäne auf dem berühmten Nockherberg eindrang, hatten Jahrzehnte nur Mönche das Sagen. „Bürgerlich" hießen sie Jakob Geis (der erste anno 1891), Weiß Ferdl, Adolf Gondrell, Roider Jackel, Emil Vierlinger („Zwei, drei Vierlinger“), Klaus Havenstein, Franz Schönhuber (der Strauß-Rebell bei der CSU wird gern verschwiegen),, Ernst Maria Lang, Walter Sedlmayr( war acht Jahre lang Frater Barnabas), Max Greiser, Erich Hallhuber, Gerd Fischer), Bruno Jonas, Django Azül (ohne Mönchskutte - was man für Gäste alles in München hinnimmt), und Michael Lerchenberg (agierte von 2008-2010; wegen seiner Texte meuterten als beleidigte Leberwürste Guido Westerwelle,, Christine Haderthauer und Charlotte Knobloch).

Meistens stammten die Top-Texte von Hannes Burger. Da fühlte sich auch das damalige SPD-Unbekannt Helmut Rothemund beleidigt, farblos wie sein aktueller Kollege Martin Schulz, der ein großes Selbstbewusstsein besitzen muss, wenn er in den Spiegel schaut. Die Aussage über Rothemund („70 Prozent kennen Sie, die anderen 30 Prozent haben Sie gewählt“) haben ihn so fuchsteufel gemacht, dass er die Veranstaltung protestierend verließ .Zum Positiven, das muss man sagen, hat sich das Gesamtbild des „Salvator“-Anstichs geändert, seit Markus H. Rosenmüller dort die Regie führt.

Zur Ehrenrettung der Männlichkeit auf der Hangkante des östlichen Isarhochufers, wo der riesige Gerstensaft-Hügel Nockherberg liegt, muss ein kleiner Traditions-Rückblick gestattet sein. Ein Weib im Mittelpunkt einer Bier-Grossaktion wäre niemals möglich gewesen. Der Ausschank zur Fastenzeit lässt sich auf eine Ordensregel der im Kloster Neudeck ansässigen Paulaner-Mönche zurückführen, die ab 1634 Bier brauten, ihr „flüssiges Brot“, wie sie sagten, um damit die Kloster-Kasse aufzubessern. Aus „Sankt Vater“-Bier wurde im Gesprachsgebrauch dann „Salvator“. Der Begriff Nockherberg geht auf den Namen einer Bankiersfamilie zurück, die dort (auf 535 Meter über dem Meeresspiegel und zwanzig Meter über ehemaligen Justizanstalt Neudeck) seit 1789 das Nockherberg-Schlösschen besassen, das leider abgerissen wurde.