ATTACKE AUF DIE SEELE MÜNCHENS

MÜNCHEN  -  Zugegeben, das Kleinod an Park liegt versteckt: aber jeder Münchner kennt das letzte Innenstadt-Paradies, den entzückenden „Radspieler-Garten“ des frühklassizistischen Stadt-Palais’ (ursprünglich Haus der Grafen Rechberg) in der Hackenstraße. Es ist 1000 Quadratmeter Münchner Seele pur. Eine Sehenswürdigkeit für sich.
Dort hinter der gelben Fassade, wo eine Steintafel an Heinrich Heine (1827-28) erinnert, der ein Jahr ( immerhin) dort gewohnt hat und keine Professur für deutsche Literatur an der Münchner Uni wegen antiklerikaler Einstellung bekam, lockt:
Urige Flora mit altem Baumbestand, wo auf den verwitterten Rinden das winzige Naturschutz-Warndreieck festgeschraubt ist,
ein unter Denkmalschutz stehender barocker Brunnen mit Engels-Putte, die den niedlichen Mund zum Wasserspeien geformt hat,
und eben die himmlische Stille mitten im lärmenden München.


Mancher Wirt hat von diesem Garten Eden schon geträumt und die Restaurant-Terrasse vor Augen, aber sich immer den Mund verbrannt. Mit Argusaugen schauen die zum Teil prominenten Asam-Anwohner auf die weißblaue Laube und wollen vorerst anonym bleiben, aber klagen, wenn nicht alles so bleibt wie es ist.
Es kursieren längst viele Gerüchte. Unter anderem heißt es, dass dort ein schmuckes Stadthotel errichtet werden soll. Dem ist wohl nach Anfrage bei der Lokalbaukommission nicht so, aber eine andere Immobilien-Idee in vollem Gange. Auf dem östlichen Teil des Radspieler-Parks soll ein Wohn- und Geschäftshaus mit Tiefgarage entstehen. Thorsten Vogel vom Planungsreferat bestätigte:“ Der Bauantrag ist für so ein Projekt gestellt worden. Die Sache läuft. Ende Januar findet die HDS statt und dann wird entschieden“. HDS heißt Sitzung des Denkmalschutzes und des Heimatpflegers. Wenn man sich nicht an dem City-Flaucher vergeht, bleibt kaum Platz.
Laut Stadt München ist die Antragstellerin des Bauvorhabens Medien-Unternehmerin Maria-Theresia von Seidlein, Enkelin des „SZ-„-Mitbegründers Franz Josef Schöningh, die für die Erben-Familie agiert, den Spitznamen „Mücki“ trägt und gern ihre Brüder zitiert:“ Die Mücki macht das schon“. 


Das Palais, das den Märchenpark abschirmt und bis heute ein „Geschäft für gehobene Inneneinrichtung“ (Slogan) ist, stammt von Vergolder Joseph Radspieler (1819-1904), Spross einer altmünchner Möbelhersteller-Familie, der mit einem Bauchladen für Bilderrahmen begann und während seiner unaufhaltsamen Karriere das Privileg „Königlich Bayerischer Hoflieferant“ verliehen bekam. Radspieler, der 1856 mit zwei Partnern Zeitungsverleger des konservativen „Bayerischen Kuriers“ wurde, schuf seinerzeit den Thronsessel des Königs und erhielt einmal von König Ludwig II eine schriftliche Rüge, „doch endlich pünktlich zu liefern“.